Medien für eine progressivere Gesellschaft
Medien für eine progressivere Gesellschaft
Schon seit Jahren arbeiten deswegen die regionale NGO NWE mit dem internationalen Verein wadi zusammen um das Fundament für Projekte wie ShredUp zu schaffen. Die Idee des Projektes ist es mit einer Kombination von kleinen Recyclingcentern, Sammelinfrastrukturen und Seminaren, zum einen ein Verständnis von Plastik und Umwelt zu gewinnen, darüber hinaus aber auch selbstverwaltende Strukturen zu fördern. Dabei wird von Anfang an mit den Menschen und NGO´s zusammen gearbeitet. Im Center sind Leute aus der Stadt oder dem Bezirk beschäftigt und die neu entstehenden Produkte sind den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen und der lokalen Bevölkerung angepasst. Dabei ist wichtig das kein Profit machendes Unternehmen darüber steht, sondern eine regionale NGO das ganze betreut und das Center selbst von den Mitarbeitern vor Ort verwaltet wird. Das Ganze ist dadurch möglich, dass in der Anfangsphase jedes Standorts zusammen mit den Projektbetreuer*innen nach regionalen Produzent*innen der Maschinen- und Technikteilen gesucht wird. So ist die Instandsetzung und die Wartung nicht mit einer Abhängigkeit im Ausland gekoppelt.
Die Entwicklung des ersten Standorts
Das erste Plastik Upcycling Center entstand in Halabja. Mittlerweile existiert es schon seit fast eineinhalb Jahren. Neben zwei Shreddern sind inzwischen eine Sheet-Presse, eine Müllpresse und ein Extruder in dem Center. Diese werden mittlerweile von vier Mitarbeiter*innen aus Halabja bedient und verwaltet. Die Mitarbeiter*innen sind dabei für 5 halbe Tage die Woche beschäftigt.
Ein gewöhnlicher Tag beginnt meistens damit, dass Plastik zum Center gebracht wird. Das passiert hauptsächlich mit dem Tuk-Tuk-Fahrer, der von den Containern, die bei en Partner-Schulen und Restaurants aufgestellt sind, eingesammelt und zum Center gefahren werden. Den Tag über kommen aber auch immer wieder Menschen die ihren Plastikmüll direkt abgeben. Dafür bekommen sie etwas Geld. Der Plastikmüll wird gewaschen und sortiert. Ein Teil des Plastikmülls, vor allem PET-Flaschen werden zu großen Ballen gepresst und einmal im Monat an die Mülldeponie in der nächstgrößeren Stadt verkauft. Der restliche Teil wird nach Farben und Kunststoffarten aufgeteilt und geshreddert. Das Granulat, das dabei rauskommt, wird je nach Wunsch mit der Sheet-Presse zu Platten oder mit dem Extruder zu Balken, bzw. Fäden geschmolzen. Dabei werden aktuell in Halabja Körbe, Blumentöpfe, Hocker, Tischchen und Bänke hergestellt. Diese werden direkt im Center oder am Basar verkauft.
Durch die Seminare, aber auch kleinen Aktionstagen, wie z.B. Cleaning-Days oder Baumpflanz-Aktionen, wollen immer mehr Institutionen und Schulen Teil des Recycling-Netzwerkes werden. Sie stellen Container auf und fangen an Plastik zu vermeiden. Auch die Kooperationen mit anderen Umwelt-NGO´s in der Region sind gewachsen. Künstler*innen, beispielsweise, erzeugen schöne Jute-Taschen, eine Müllsammel-App hilft dabei Plastikmüll aus Privathaushalten zum Center zu bringen und Parks werden neu gepflanzt und mit den Bänken versehen.
Es sollen auch noch Wanderwege in die nahe gelegenen Berge, sowie einen Erinnerungsweg durch die Stadt entstehen.
Der Hintergrund zur Stadt
Dabei sind die Aktionen wie das Pflanzen neuer Parks und der Erinnerungsweg vor allem deswegen in Halabja so wahnsinnig wichtig, da der Giftgasangriff Saddam Husseins 1988 immer noch tief in der Bevölkerung und der Umwelt sitzt. 5000 Menschen starben direkt bei dem Angriff, tausende starben an den Folgen. Daneben wird von einigen NGO´s der Region bezweifelt das das Grundwasser und der Boden nicht noch gesundheitsschädlich sind. Darüber hinaus waren nicht nur die Giftgasangriffe im Jahre 1988 ein einschneidender Fakten für Mensch und Umwelt, sondern gleich mehrere Faktoren die durch das Saddam Regime ausgeführt wurden. Zum einen ist das die Konsequente Versiegelung von Brunnen in den kurdischen Siedlungsgebieten, aber auch harte Sanktionen gegen Kurd*innen. In der Kombination mit den Sanktionen des Westens gegen den kompletten Irak, waren die kurdischen Siedlungsgebiete gezwungen ihre üppigen Wälder abzuholzen, um im Winter nicht zu erfrieren.
35 Jahre nach diesen Angriffen ist die Region und vor allem die Menschen tief gezeichnet. Sie sind wütend und verzweifelt. Bis jetzt gab es von keiner Regierung angemessene Entschädigungen oder überhaupt ernstgemeinte Anteilnahme. Die Wut geht auch nach Deutschland. Deutsche Firmen waren maßgeblich an der Produktion der Giftgaswaffen beteiligt. Klar ist es schwer nach 35 Jahren Personen oder Firmen dafür zu belangen. Aber dass das nach 35 Jahre immer noch nicht passiert ist, ist die Schuld der deutschen Regierung, so sagen es viele Menschen, die in Halabja leben. Sie alle wissen um die deutsche Beteiligung an ihrem Genozid, ob das die Menschen in Deutschland wissen sei dahingestellt. Immerhin gab es 2021 vom deutschen Bundestag die Anerkennung als Genozid. Dabei wurde allerdings der Teil mit den Reparationszahlungen gestrichen.
Das Recyclingcenter, aber auch die gemeinsame Park-pflanz-Aktionen oder der Gedenkweg, sind dabei Wege wie die Betroffenen mit ihrem kollektiven Trauma und Schmerz gemeinsam umgehen können und positives schaffen können. Die Aktiven aus dem Projekt sind sich einig, es braucht mehr solche Aktionen, als wenige leere Worte von Politiker*innen.
Das Projekt bekommt neue Standorte
Unter anderem aus diesem Grund entstand im letzten Jahr dann auch ein neues Recyclingcenter in Kifri. Einer Stadt in einer Region, die mit am schlimmsten von der sogenannten Anfal-Kampagne betroffen war. Die Anfal-Kampagne beschreibt dabei eben jene militärische Operation Saddam Husseins, die eine ethnische Säuberung an der kurdischen Bevölkerung durch Giftgasangriffe, Bomben, Umweltzerstörung, Deportation und Massenhinrichtungen, durchgeführt wurde. Das Ganze war ebenfalls 1988. Auch wenn der Angriff auf Halabja streng genommen nicht als Teil der Anfal-Kampagne zu verstehen ist, ist es dennoch wichtig beide Operationen als ideologische Aktion dieser Zeit und dieser Regierung zu verstehen. Tausende Dörfer wurden zerstört, Zehntausende verloren ihr Leben. In der Region gibt es quasi keine Person, die nicht auf der ein oder anderen Weise von den Angriffen betroffen war. Die regionale NGO Rank setzt diesem seit Jahren mit Erinnerungsarbeit und Kunstaktionen, bzw. -galerien etwas entgegen. Seit letztem Jahr auch mit einem Recyclingcenter, welches wie in Halabja aufgebaut ist, aber ganz nach der Philosophie der NGO vor allem Kunst aus dem Plastik produziert. Wie Ketten und Bilder.
Aber nicht nur im städtischen, bzw. ländlichen Raum entstehen neue Zweige des Projekts. Mit dem jesidischen Verein Jinda, aus Dohuk, entsteht gerade in einem Geflüchteten Lager am Rande von Dohuk ein Recyclingcenter. In diesem Lager leben über 10.000 Jesid*innen, die von den Angriffen und dem Genozid der letzten 10 Jahre hier her geflohen sind. Ihre Heimat, das Shengal-Gebirge ist noch immer hart umkämpft. Als religiöse Minderheit werden sie von fast allen Glaubensgruppen schon jeher als Ziel religiöser Säuberungen. Der 74. Genozid, durch den IS, an den Jesid*innen wurde erst kürzlich von der Bundesregierung als solcher anerkannt.
In Absprache mit den Bewohner*innen und der Campleitung entsteht gerade eine Sammelinfrastruktur, sowie ein Lager-/Sortierort und ein Upcyclingcenter, welche von den Geflüchteten betrieben und verwaltet werden.
Und so geht es weiter
Im Februar trafen sich nun all diese NGO´s und Initiativen um einen gemeinsamen Plan für das ganze Land zu entwickeln. „Wir müssen handeln, sonst schafft der Klimawandel das was Saddam nicht geschafft hat, die Vertreibung der Kurd*innen“, sagte Kak Hemen auf dem Treffen, er selbst stammt aus einem Anfal-Dorf. Mit gemeinsamen Aktionen und Strukturen wollen sie der Umweltzerstörung, aber auch der Politik des allein-gelassen-werdens entgegenwirken. Geplant sind neben Recyclingcenter u.a. auch Wasseraufbereitungsanlagen. Dabei spielen Kooperationen im Internationalen Kontext immer wieder eine wichtige Rolle. Darunter auch Partnerschaften zwischen Universität. Hier gibt es eine vielversprechende Idee mit einer gemeinsamen Forschungsarbeit, die hier üblichen Wohnhäuser mit kleinem Geld, wesentlich energieeffizienter und autonomer zu machen. Autonom vor allem deswegen, weil die kurdische Regierung aktuell keine dauerhafte und günstige Stromversorgung, sowie keine guten Abwasserlösungen bieten kann.
Alles in allem entwickelt sich die selbstverwalteten Strukturen schnell und es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die Projekte in einem Jahr aussehen werden. Klar ist, dass dabei auch Europa viel lernen kann und ein weiterer Austausch auf Augenhöhe, auch von Zivilgesellschaftlicher Ebene angestrebt werden sollte.
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