Die Antifa im Wald

Helena Kuchar, bekannt unter ihrem Partisanennamen Jelka (­slowenisch für Tanne), war eine der prägenden Persönlichkeiten des antifaschistischen Widerstands im österreichischen Kärnten. 

Helena Kuchar wuchs in einer armen, slowenischsprachigen Familie in Kärnten auf. Ihr Vater, ein Fuhrmann, hatte nach dem Ersten Weltkrieg alles verloren. Helena, die eine Gehbehinderung hatte, musste sich alleine als Magd durchschlagen. Mit der Weltwirtschaftskrise verschärfte sich die Not. Zu dieser Zeit verliebte sie sich in einen Zimmermann mit sozialistischen Überzeugungen namens Peter Kuchar. Die beiden heirateten heimlich gegen den Willen seiner Eltern.

Als ihr ein Kaufmann kein Brot auf Kredit gab, weil sie eine »Windische« (eine abfällige Bezeichnung für Slowenen) sei, schwor sie, sich nie wieder demütigen zu lassen – so erzählt es Helenas Tochter Bredica der ­Jungle World.

Erneut zeigte sich Helenas Wut, als Peters Meister ihn über ein Jahr lang nicht bezahlt hatte. Helena besuchte daraufhin die Frau des Meisters, um zumindest einen Teil des Lohns einzufordern. Zwar bekam sie 50 Schilling und einen Kuchen, musste sich aber anhören, dass es gescheiter wäre, wenn sie ihre Kinder als Deutsche und nicht als Slowen:innen erzöge. Helena habe entgegnet, die Reichen steckten den Lohn der Arbeiter:innen »in ihre Säcke«, erzählt Bredica.

Mit dem »Anschluss« Österreichs ans Deutsche Reich im Jahr 1938 begann die offene Verfolgung der Kärntner Slo­wen:innen. Die Parole »Der Kärntner spricht Deutsch« wurde zum Gesetz erhoben, Slowenisch wurde verboten. Viele Familien wurden deportiert und enteignet. »Sie hat erlebt, wie Nach­barinnen abgeholt wurden, einfach weil sie Sloweninnen waren«, erzählt Bredica.

Peter wurde 1940 zur Wehrmacht eingezogen, ebenso wie sein Bruder, der auf dem benachbarten Vinklhof lebte. Als dieser desertierte und sich den Partisanen anschloss, wurde seine Frau ins KZ Ravensbrück verschleppt. Helena übernahm den Hof der Familie. Sie versorgte ihre eigenen Kinder und zwei Neffen.

1943 schloss sie sich selbst dem antifaschistischen Widerstand an. Die Kärntner Partisan:innen hatten in den Wäldern Verstecke eingerichtet. Helena besorgte Lebensmittel, Kleidung und Sanitätsmaterial und transportierte die Güter unter Lebensgefahr. Als Treffpunkt diente eine Tanne im nahegelegenen Wald. So erhielt sie ihren Partisanennamen Jelka, zu Deutsch: Tanne.
 

Für die Informationsbeschaffung von entscheidender Bedeutung

Jelka war für die Informationsbeschaffung von entscheidender Bedeutung. Sie organisierte eine »lebende Post«, ein Netzwerk, das Nachrichten für die Partisanen überbrachte. Bald machte sie sich mit ihrer List und ihrem Witz einen Namen. Ihre Tochter erzählt, wie sie einmal als Partisanen verkleidete Gendarmen enttarnte, die sie in einen Hinterhalt locken wollten. Jelka zeigte die vermeintlichen Partisanen einfach selbst bei der Gendarmerie an, um das Vertrauen der Deutschen zu gewinnen und mehr Lebensmittelkarten zu erhalten.

Ihr politisches Engagement gipfelte darin, im Oktober 1944 eine Versammlung der örtlichen Bevölkerung zu ­organisieren, bei der sie offen zum Widerstand aufrief. Nachdem dieses Treffen verraten worden war, musste Jelka am 12. Oktober mit ­ihrer damals 16 Monate ­alten Tochter Bredica zu den Partisanen fliehen und ihre älteren Kinder zurücklassen.

Sie absolvierte in Slowenien eine Ausbildung an der Parteischule der Befreiungsfront (OF), der wichtigsten slowenischen Widerstandsgruppe, die eine kommunistische Ausrichtung hatte. Dort wurde sie ­politisch geschult und an der Waffe ausgebildet. Zu diesem Zeitpunkt gehörten ihr Bruder und ihr ältester Sohn bereits zu den Widerstandskämpfern im Wald.

Im Februar 1945 wurde Jelka erneut verraten. SS-Truppen stürmten ihr Haus, warfen Handgranaten und schossen durch die Fenster. Nach einem Feuergefecht wurde sie gefangen genommen. In der Gestapo-Zentrale in Klagenfurt wurde sie brutal verhört, geschlagen und verhöhnt, so erzählte es Jelka in einem Interview in den achtziger Jahren. Sie wurde als »windisches Schwein« beschimpft und man verlangte die Namen ihrer Mit­streiter:in­nen. Jelka schwieg. Sie gab sich als einfache Schneiderin aus, die »nur Hemden aus Fallschirmseide nähte«.

Schließlich erreichte ihre 14jährige Tochter Zofi durch eine mutige Lüge ihre Freilassung: Sie ging zur Gestapo, behauptete, ihr Vater sei für Deutschland im Krieg gefallen, und bat um Mitleid. Es funktionierte, Jelka kam frei. Am 1. Mai 1945 kehrte sie in ihren Geburtsort Leppen zurück. Ihr Mann kam kurz darauf aus französischer Gefangenschaft heim. Beide hatten den Krieg überlebt – auf entgegengesetzten Seiten.

Die Nachkriegszeit brachte Frieden, aber wenig Gerechtigkeit. Unter britischer Besatzung wurden viele ehe­malige Nazis in Ämter eingesetzt, während Partisan:innen als »Kom­munist:in­nen« gebrandmarkt wurden. »Ich war die Tochter einer Banditin«, erzählt ihre Tochter Bredica über diese Zeit. »Viele kamen nur nachts in meine Schneiderei, damit sie niemand sah. Aber ich war stolz auf sie.« Jelka wurde 1947 zur Vorsitzenden der Antifaschis­tischen Frauenfront gewählt. Sie engagierte wich weiter, diesmal mit Liedern, Theaterstücken und politischer Bildung.
 

Am Peršmanhof einziger Gedenkort des antifaschistischen Widerstands in Österreich

Der Artikel 7 im österreichischen Staatsvertrag von 1955 garantiert der slowenischen Minderheit Unterricht in ihrer Sprache. In den von ihr bewohnten Gegenden sollte es außerdem zweisprachige Ortstafeln geben und Slowenisch als Amtssprache gelten. Doch das wurde jahrzehntelang nur halbherzig umgesetzt. Auch der Hass auf die slowenische Minderheit dauerte an. Im so­genannten Ortstafelsturm 1972 rissen deutschnationale Gruppen in Kärnten zweisprachige Schilder nieder und schändeten Partisanendenkmäler. Damals habe sich ein »zweites Schweigen« ausgebreitet, sagt Bredica: »Man durfte wieder nicht Slowenisch reden, weil man Angst hatte.«

Am Peršmanhof in Kärnten wurden am 25. April 1945 elf Zivi­list:in­nen, dar­unter sieben Kinder, von SS-Männern ermordet. Heute befindet sich dort der einzige Gedenkort des antifaschistischen Widerstands in Österreich mit einem Museum. Es wurde maßgeblich vom Verband slowenischer Partisanen und der ortsansässigen slowenischen Minderheit aufgebaut.

Im Sommer gab es dort einen Vorfall, der wie ein Echo auf frühere Zeiten wirkte. Bei einem antifaschistischen Sommercamp mit mehreren Dutzend Teilnehmenden tauchte plötzlich die Polizei auf. Sie verschaffte sich Zutritt, durchsuchte die Räumlichkeiten, inklusive des Museums, und stellte bei mehreren Personen die Identität fest. Dem Betreiberverein des Peršmanhof zufolge waren an dem Einsatz sieben Polizeifahrzeuge, über 30 »teils schwer bewaffnete« Polizeikräfte sowie ein Polizeihubschrauber, Drohnen und eine Polizeihundestaffel beteiligt. Zu den Gründen für die Razzia teilte die Polizei mit, es habe Beschwerden über illegales Zelten und »andere Verwaltungsübertretungen« gegeben.

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